Abnorme Befunde / Zufallsbefunde


Es gibt viel Verwirrung und auch Meinungsverschiedenheiten mit den Kostenträgern zur Kodierfähigkeit von „Zufallsbefunden“. Hier einige Handreichungen:

Die Kodierrichtlinie D003

Am Anfang der Verwirrung steht ein Passus aus der Kodierrichtlinie D003:

Abnorme Befunde

Abnorme Labor-, Röntgen-, Pathologie- und andere diagnostische Befunde werden nicht kodiert, es sei denn, sie haben eine klinische Bedeutung im Sinne einer therapeutischen Konsequenz oder einer weiterführenden Diagnostik (nicht allein Kontrolle der abnormen Werte).

Diese Regel wird mit einem Beispiel erläutert:

Abnormer Befund ≠ Zufallsbefund

Oft ist im Zusammenhang mit dieser Regel von „Zufallsbefunden“ die Rede. Das ist grundsätzlich nicht richtig. „Zufallsbefunde“ kann man nicht mit „abnormen Befunden“ (Terminus der DKR) ohne Krankheitswert gleichsetzen. Ein Zufallsbefund ist ein unerwartetes Ergebnis einer Untersuchung. Er kann eine wichtige Erkenntnis sein und muss nicht von der Regelung für „abnorme Befunde“ in DKR D003 betroffen sein. Ein Befund, der ohne Konsequenzen bleibt, ist auch nicht immer „Zufall“. Beispiele:

  1. Ein Kind kommt zur geplanten Tonsillektomie. Unerwartet wird ein schwere Hypokaliämie von 1,8 mmol/l festgestellt -> Weitere Diagnostik und Therapiemaßnahmen sind dringend erforderlich! Der Zufallsbefund ist kein „abnormer Befund“ i. S. der DKR D003 und wird natürlich kodiert.
  2. Ein Patient hat schwere Herzrhythmusstörungen. Eine Ursache könnte eine Hypokaliämie sein und deswegen wird das Kalium bestimmt -> Wert 5,5 mmol/l. Es ist keine Therapie nötig bei mäßiger Hyperkaliämie. Die Hyperkaliämie ist kein „Zufallsbefund“ und auch kein „abnormer Befund“ i. S. der DKR D003. Sie wurde entdeckt, weil der Kaliumspiegel gezielt bestimmt wurde und ist deswegen als Nebendiagnose zu kodieren.
  3. Eine Patientin wird wegen einer pAVK zur Katheterintervention stationär aufgenommen. Es findet sich in der „Aufnahmeroutine“ ein Kaliumwert von 5,2 mmol/l. Die leichte Hyperkaliämie hat keine erkennbare Konsequenzen. Hier handelt es sich um einen „abnormen Befund“ i. S. der DKR D003 (und es ist auch noch ein Zufallsbefund): Die Hyperkaliämie wird nicht kodiert.

Für den Umgang mit symptomlosen Keimträgern und Keimbesiedlung chronischer Wunden siehe „Keimbesiedlung / Keimträger“.

Schlichtungsausschuss

Am 11.11.2020 hat der Schlichtungsausschuss zur Thematik eine Entscheidung getroffen. Es ging um die Kodierempfehlung 400 der SEG-4. Ein Neugeborenes wird wegen einer Neugeborenengelbsuch aufgenommen. „Nebenbei“ wird eine bekannte Fehlbildung der Harnwege (Megaureter) sonographisch kontrolliert. Der MDK war der Meinung, das sei ein abnormer Befund gemäß DKR D003. FoKA argumentierte, dass ein Megaureter eines Neugeborenen eine klinisch relevante und überwachungspflichtige Erkrankung sei. Eine bildgebende Kontrolle (auch wenn die Indikation dafür nicht primär der Megaureter war) soll die Fehlbildung als Nebendiagnose kodierfähig machen.

Entscheidung KDE 400 vom 11.11.2020

Wenn ein Neugeborenes wegen persistierendem Ikterus in ein Krankenhaus aufgenommen wird und eine sonographische Beurteilung der ableitenden Harnwege bei bekanntem Megaureter erfolgt, anschließend in Bezug auf den Megaureter aber keine weiteren diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen während des stationären Aufenthaltes erfolgen, ist der Kode Q62.2 Angeborener Megaureter gemäß DKR D003 Nebendiagnosen als Nebendiagnose anzugeben.

Praktische Umsetzung

Kodieren und argumentieren Sie entlang der folgenden Linie:

  1. Ist der abnorme Befund der Grund für weitere Diagnostik, Therapiemaßnahmen oder einen erhöhten Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand? Dann ist der Befund zu kodieren.
  2. Ist der abnorme Befund erhoben worden, weil eine gezielte Fragestellung verfolgt wurde („Kontrolle“!), dann ist die Untersuchung alleine schon als „diagnostische Maßnahme“ i. S. der DKR D003 zu betrachten und der Befund muss kodiert werden. Beispiele:
    1. Ein Patient braucht dringend eine Bypass-OP. Vor Verlegung soll ein Doppler der Halsgefäße gemacht werden, um eine Karotisstenose auszuschließen (wichtig für die Kardiochirurgen). Es findet sich eine relevante Stenose, die ohne Konsequenzen bleibt, weil der Patient sofort nach der Untersuchung verlegt wird.
    2. Ein Abstrich von normaler Haut (After) ergibt einen hoch resistenten Keim. Der Patient war allerdings schon verstorben, als der Befund einging: Keine weitere Konsequenzen. Wenn die Untersuchung risikoadjustiert nach den Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) durchgeführt wurde (und nicht pauschal bei jedem Patienten), ist die Untersuchung eine diagnostische Maßnahme und der Keim zu kodieren.
  3. Wurde der Befund weder mit einer besonderen Fragestellung erhoben und hat keinen Aufwand i. S. der DKR ausgelöst, dann ist es ein „abnormer Befund“ i. S. der DKR D003 und wird nicht kodiert. Beispiel:
    1. Bei einer Ultraschalluntersuchung vom Bauch fallen ein Aszites und kleine Pleuraergüsse beiderseits auf. Die Anforderung der Untersuchung erwähnt keine Indikation (nur: „US Abdomen bitte„). Bei einer späteren Ultraschallkontrolle des Abdomens werden die Ergüsse wieder beschrieben („unverändert„). Auf der Anforderung der Kontrolle wird der Aszites genannt, die Ergüsse jedoch nicht („US Abdomen – Aszites?„). Hier sind die Pleuraergüsse als „abnormen Befund“ ohne nachvollziehbare Konsequenzen „per Zufall“ kontrolliert worden. Der Pleuraerguss wird nicht kodiert, der Aszites aber schon.

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